OLG Frankfurt: Bewertungen Bestandteil des Wettbewerbs

Bewertungsplattformen sind ein umstrittenes Thema. Während für die Nutzer die Meinungsfreiheit streitet, können sich die Betroffenen auf ein nicht minder elementares Grundrecht berufen, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Höchstrichterlich entschieden ist seit 2009 der Fall einer geschlossenen Plattform, die es Schülern ermöglicht, ihre Lehrer zu bewerten, vgl. VI ZR 196/08. Der Bundesgerichtshof wies die Klage einer Lehrerin u.a. mit der Begründung ab, dass die Bewertungen lediglich die berufliche Tätigkeit betreffen:

Zutreffend wertet das Berufungsgericht die von den Beklagten erhobenen und abgespeicherten Bewertungen der Klägerin als Werturteile, die die Sozialsphäre der Klägerin tangieren. Die Bewertungen betreffen die berufliche Tätigkeit der Klägerin, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht (vgl. Senat, BGHZ 36, 77, 80 und 161, 266, 268; Urteile vom 20. Januar 1981 – VI ZR 163/79 – VersR 1981, 384, 385 und vom 21. November 2006 – VI ZR 259/05 – VersR 2007, 511, 512; BVerfG, NJW 2003, 1109, 1111; Zimmermanns, ZfL 2003, 79, 80 f.). Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen nur im Falle schwerwiegender Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder Prangerwirkung zu besorgen sind.

Er stellte aber auch darauf ab, dass die abgegebenen Bewertungen nicht über Suchmaschinen auffindbar und nur registrierten Nutzern zugänglich waren. Einen Schritt weiter ist nun das OLG Frankfurt gegangen. Auch Plattformen, die keine derartigen Zugangsrestriktionen vorsehen, sollen zulässig sein. Dies solle zumindest dann gelten, wenn die Betroffenen ihre Dienste jedermann anbieten (hier: Bewertungsplattform für Ärzte). Öffentliche Bewertungsmöglichkeiten seien Teil der heutigen Marktmechanismen:

Ohne Erfolg macht die Klägerin zunächst geltend, dass die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in dem bereits erwähnten Urteil zu einem Lehrerbewertungsportal (a.a.O., vgl. Rn. 26 ff.) aufgestellt hat und auf die sich das Landgericht im Rahmen seiner Abwägung stützt, bereits deshalb nicht herangezogen werden könnten, weil es sich vorliegend – anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs – nicht um ein geschlossenes Internetportal handelt.

Zwar trifft zu, dass der Bundesgerichtshof bei der Überprüfung des Verhältnisses zwischen Rechtsgüterschutz und -beschränkung im Rahmen der von ihm vorgenommenen Abwägung auch darauf abgestellt hat, dass die dortige Beklagte durch die Registrierung der Nutzer den Zugriff auf Informationen über eine Lehrkraft einer bestimmten Schule beschränkt, die Registrierung die Kenntnis der Schule voraussetzt, Mehrfachregistrierungen mit derselben e-mail-Adresse nicht möglich sind und die Daten weder über eine Suchmaschine noch über die Internetadresse www…..de nur mit Eingabe des Lehrernamens angerufen werden können (vgl. Rn. 37). Dies ist hier insofern anders, als das Portal der Beklagten einschließlich der Bewertungen ohne jegliche Beschränkungen zugänglich ist und die Bewertungen zudem auch z.B. über Google aufrufbar sind.

Allerdings arbeitet die Klägerin – im Gegensatz zu Lehrern – nicht in einem geschlossenen, abgrenzbaren Raum, sondern als niedergelassene Ärztin. Das Landgericht weist deshalb zu Recht darauf hin, dass sich die Klägerin insbesondere vor dem Hintergrund des Rechts auf freie Arztwahl dem auch zwischen Ärzten bestehenden Wettbewerb stellen muss und insoweit den Marktmechanismen ausgesetzt ist, zu denen heute – wie in vielen anderen Lebensbereichen – auch Bewertungsmöglichkeiten in öffentlich zugänglichen Quellen (zu denen auch das Internet zählt) gehören. Da die Meinungsfreiheit auch das Recht des Äußernden umfasst, die Modalitäten einer Äußerung und damit das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen, muss es die Klägerin grundsätzlich hinnehmen, wenn die Möglichkeit besteht, sie in einem öffentlich zugänglichen Portal zu bewerten, und diese Möglichkeit genutzt wird.

Je weiter man sich exponiert, desto mehr muss man einstecken können.

OLG Frankfurt, Urteil vom 8. März 2012 – 16 U 125/11