Rechtsmissbräuchlichkeit von 120 Abmahnungen in 19 Tagen

Eine Abmahnung ist rechtsmissbräuchlich, wenn ihr sachfremde Motive zugrunde liegen, insbesondere wenn sie ausgesprochen wird, um Rechtsanwaltsgebühren zu generieren, vgl. § 8 Abs. 4 UWG. Indizien hierfür sind u.a.:

  • Missverhältnis zwischen Kostenriskio und Wirtschaftskraft des Abmahnenden,
  • Vorgehensweise legt nahe, dass der Rechtsanwalt auf eigene Rechnung arbeitet und seinen Mandanten an den Gebühren beteiligt,
  • Wettbewerbsinteressen der Parteien berühren sich nur marginal,
  • hohe Anzahl an Abmahnungen, Verwendung von Textbausteinen, fehlender Bezug zum konkreten Verstoß,
  • zu hoch angesetzte Streitwerte, um die Gebühren zu steigern.

Im vorliegenden Fall des KG Berlin waren gleich mehrere dieser Indizien gegeben. Der Abmahnende sprach 120 Abmahnungen innerhalb von 19 Tagen aus, war selbst nur geringfügig geschäftlich tätig und bereits in der Vergangenheit negativ aufgefallen, u.a.:

  • Beschl. v. 18.8.2006 – 5 W 165/06: Von Dezember 2005 bis Mai 2006 etwa 650 Abmahnungen „zum Thema § 6 TDG“ mit 12.000 € eingenommener „Abmahnkostenerstattungen“,
  • Beschl. v. 30.10.2007 – 5 W 321/07: Geringer Umfang eigener Tätigkeit, Verfolgung aus dem Internet unschwer ersichtlicher (etwaiger) Verstöße zum Teil weit entfernt tätiger Immobilienmakler und Anderer an der Bagatellgrenze (unter Abmahnung mit Forderung einer „Kostenpauschale“ in Höhe von 150 € und mehr),
  • Beschl. v. 15.8.2008 – 5 W 239/08: Seit 2005 ca. 3.000 Abmahnungen, die etwa 60.000 € erbracht haben,
  • Beschl. v. 21.11.2008 – 5 W 284/08: Keine Tätigkeit als Bauträger und Anlagenberater in größerem Umfang, Verfolgung aus dem Internet unschwer ersichtlicher (etwaiger) Verstöße von Immobilienmaklern und Anderen an der Bagatellgrenze (unter Abmahnung mit Forderung von Kosten in Höhe von 238 €),
  • Beschl. v. 28.6.2011 – 24 W 47/11: Zwischen Anfang Mai 2011 und dem 19. Mai 2011 etwa 120 Abmahnungen alleine betreffend Angebote für Dachgeschosswohnungen in Berlin und in Bezug auf die (auch dort) gerügte Angabe einer monatlichen Rate unter Verschweigen des in die Berechnung der Rate eingestellten Eigenkapitalanteils mit Abmahnpauschalen in Höhe von 150 € zuzüglich Mehrwertsteuer.

Hieraus schloss das Kammergericht, dass die Abmahnungen vornehmlich zum Zweck der Gewinnerzielung ausgesprochen wurden und daher rechtsmissbräuchlich sind:

Der zuletzt angeführte Fall macht es deutlich: Dem Antragsteller geht es nach wie vor, wie auch schon in der Vergangenheit, nicht (vornehmlich oder gar nur) um die Sauberkeit des Wettbewerbs und die Vermeidung eigener Wettbewerbsnachteile, sondern in beträchtlichem Umfang (auch) um die Erzielung von Einnahmen […], nämlich dort um die Generierung (vermeintlicher) Ansprüche in Höhe von insgesamt immerhin 18.000 € (zzgl. MWSt.) in nur 19 Tagen (120 Abmahnungen à 150 €). Das aber ist rechtsmissbräuchlich i.S. von § 8 Abs. 4 UWG und damit unzulässig.

KG Berlin, Beschluss vom 22. Juli 2011 – 5 W 161/11