EU-Kommissarin Neelie Kroes: Hasswort Urheberrecht

Die Digitalisierung von Inhalten, sei es Musik, Film, Photographie oder Buch, stellt das klassische analoge Urheberrecht vor unlösbare Herausforderungen. Während zu Zeiten von Napster das Herunterladen von MP3s minderer Qualität noch viel Zeit in Anspruch nahm, lassen sich heutzutage Filme in Originalqualität ohne lange Wartezeiten aus dem Internet beziehen. Lange Zeit war dies völlig risikolos, bis die Rechteinhaber vor ein paar Jahren anfingen, die Tauschbörsen zu überwachen und illegale Angebote abzumahnen. Innerhalb kürzester Zeit fanden sich aber Schutzmaßnahmen gegen die Identitätsermittlung per IP-Adresse sowie gar Alternativen, die nicht von den Rechteinhabern überwacht werden können. Erwischt werden bis heute nur diejenigen, die sich nicht die Mühe machen, sich eine Stunde in die Thematik einzulesen.

Das Vorgehen der Politik und Rechteinhaber ist letztlich ein Kampf gegen Windmühlen. Verschärfungen des Urheberrechts und Repressalien werden die mit der Digitalisierung verbundenen Auswirkungen auf das Urheberrecht nicht rückgängig machen können, solange nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das Datenschutzrecht komplett geopfert wird. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob sich die Rechteinhaber mit ihrer Vorgehensweise einen Gefallen tun. Die EU-Kommissarin Neelie Kroes (Digitale Agenda) bringt es auf den Punkt, wenn sie davon spricht, dass die Bürger zunehmend Hass für das verspüren würden, was sich hinter dem Wort Urheberrecht verberge. Traurigerweise sähen viele das gegenwärtige Regime nur noch als Werkzeug zum Bestrafen und zum Entziehen, nicht als Mittel, um kreative Leistungen anzuerkennen und zu entlohnen.

But let’s ask ourselves, is the current copyright system the right and only tool to achieve our objectives? Not really, I’m afraid. We need to keep on fighting against piracy, but legal enforceability is becoming increasingly difficult; the millions of dollars invested trying to enforce copyright have not stemmed piracy. Meanwhile citizens increasingly hear the word copyright and hate what is behind it. Sadly, many see the current system as a tool to punish and withhold, not a tool to recognise and reward.

Dieser zunehmend negative Blick auf das Urheberrecht ist nicht verwunderlich angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre. Wie sollen z.B. Eltern dafür Verständnis aufbringen, dass sie etliche hundert Euro für eine Abmahnung berappen sollen, nur weil Sie den heimischen PC nicht in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt haben, wie es das LG Köln (28 O 421/10) fordert:

Er hätte auch weiterhin wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzungen ergreifen müssen. Hierzu war er als Inhaber des Internetanschlusses auch unzweifelhaft in der Lage. So hätte ein eigenes Benutzerkonto mit beschränkten Rechten eingeräumt werden können. Des Weiteren wäre auch die Einrichtung einer wirksamen „firewall“ möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing-Software verhindert werden kann (vgl. auch LG Hamburg ZUM 2006, 661). Auch andere technische Möglichkeiten, wie die Nutzung bestimmter Modems hat der Beklagte nicht dargelegt (vgl. hierzu insgesamt bestätigend, zuletzt, OLG Köln, Beschluss vom 11.09.2009, Az. 6 W 95/09). Der Vortrag des Beklagten, es sei lediglich der Port 80 des Modems freigegeben gewesen, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, da der Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass diese Freigabe lediglich durch ihn zu ändern gewesen wäre.

Ein Umdenken ist in Deutschland derzeit nicht absehbar. Die aktuelle Handlungsempfehlung der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft setzt lediglich auf Normenklarheit und Aufklärung. Neelie Kroes hingegen sieht die Zukunft in neuen und flexibleren Geschäftsmodellen:

We need to go back to basics and put the artist at the centre, not only of copyright law, but of our whole policy on culture and growth. In times of change, we need creativity, out-of-the-box thinking: creative art to overcome this difficult period and creative business models to monetise the art. And for this we need flexibility in the system, not the straitjacket of a single model. The platforms, channels and business models by which content is produced, distributed and used can be as varied and innovative as the content itself.

Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Der Volltext der Rede von Neelie Kroes ist hier zu finden.